Von außen gesehen wird die Kasseler Soziale Gerontologie wie folgt resümiert: „Betrachtet man die Tagungen, Themen, Veröffentlichtlichungen und Diskurse, so wie sie in Kassel stattfinden, dann hat man den Eindruck, dass hier Mut zum Betreten von Neuland vorhanden ist, dass Utopien und Visionen angedacht werden, also nach vorne gedacht wird, aber auch durchaus in die Hinterzimmer einer problematischen Vergangenheitsbewältigung geguckt wird – eben Kasseler Gerontologie als Herausforderung für das Selbstverständnis des Faches Gerontologie“ (Fooken 1998, S. 169).
Eine ausführlichere Beschreibung der ersten zwei Jahrzehnte (bis 1999) der Kasseler Sozialen Gerontologie ist nachzulesen im Beitrag „Eine Geschichte der Sozialen Gerontologie mit Reinhard Schmitz-Scherzer“ im Buch „Soziale Gerontologie – Theorie und Praxis“ und unter
https://www.researchgate.net/publication/329044518 _Eine_Geschichte_der_Sozialen_Gerontologie
Soziale Gerontologie, und Soziale Arbeit mit älteren Menschen
Die Neubesetzungen der Kasseler Professuren mit Gertrud Backes (bis 2006) und Fred Karl (bis 2012) waren auf das Themenspektrum der Sozialen Gerontologie und Sozialen Arbeit mit älteren Menschen ausgerichtet. Bundesweit brachte sich Kassel verstärkt in die Vernetzung soziologischer und gerontologischer Alternsforschung ein: Gertrud Backes organisierte mit Wofgang Clemens langjährig die Tagungen der Sektion Alternssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, Fred Karl war Vorsitzender der Gesellschaft für sozial- und verhaltenswissenschaftliche Gerontologie und damit Mitglied im Vorstand in der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie. Ihre Publikationen „Lebensphase Alter“ (Backes/Clemens 1998; 2003), „Sozial- und verhaltenswissenschaftliche Gerontologie“ (Karl 2003) sowie die „Einführung in die Generationen- und Altenarbeit“ (Karl 2009) reihen sich in die Standardwerke der deutschen Gerontologie ein.
Die Kasseler partizipative Altenplanung erfuhr weitere Umsetzungen in zwei Kommunen Nord- und Südhessens, jeweils basierend auf repräsentativen Bedürfniserhebungen bei mehr als 500 älteren Menschen in diesen mittelgroßen Gemeinden. Der Schwerpunkt der Studie „Älterwerden in der Gemeinde“ in Schauenburg lag auf der Nachkriegsgeneration und der „Baby-Boomer-Generation“ mit ihren jeweiligen Lebensstilmustern und Zukunftsvorstellungen zum Wohnen, gemeinschaftlichen Aktivitäten und familiären Hilfsleistungen (Aner/Karl 2006). Ein besonderes Augenmerk galt den Vereinigungen, Vereinen, Einrichtungen und Diensten, die das soziale Leben in der Gemeinde tragen. Aus moderierten Arbeitskreisen zu den Themen „Generationen und Orte der Begegnung“, „Generationen und Pflege“ sowie „Generationen und Wohnen“ entstand der „Initiativkreis Älterwerden in Schauenburg“, der über das Forschungsprojekt hinaus aktiv blieb. Im Rahmen der Altenhilfeplanung der Gemeinde Eschborn im Main-Taunus-Kreis werteten die Kasseler Forscher die Seniorenbefragung 65plus (n = 784) aus und präsentierte die Ergebnisse und Handlungsanregungen vor Ort. Die Auswertung liefert empirische Belege für das Wirken des „interventionsgerontologischen Dilemmas“. Es drückt sich z.B. im überdurchschnittlichen Interesse an mobilen Diensten in den „gut situierten“ Stadtteilen aus und weist darauf hin, dass Angebote und Maßnahmen eher von informierten, artikulationsfähigen Bevölkerungsteile und seltener von benachteiligten Gruppen in Anspruch genommen werden (Karl/Haase 2007).
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